Die Männerriege zog es ins Tessin, wo sie bei idealen Wetterbedingungen vom Monte Tamaro zum Monte Lema eine Gratwanderung mit ausserordentlicher Aussicht geniessen konnte. Am Sonntag
führte der Weg durchs Malcantone nach Arosio zum Mittagessen in einem ausgezeichneten Grotto.
Die Wetterprognosen in den Tagen vor unserm Ausflug waren zunehmend klar: Die einzige Region der Schweiz mit Aussicht auf einigermassen trockene Verhältnisse ist das Tessin. Eine Nordstaulage mit
Nordföhn gab zudem Grund zur Hoffnung auf gute Sichtverhältnisse. Doch die fabelhafte Aussicht auf dem Tamaro und den traditionellen Gipfelwein müssen wir uns nicht nur mit einem
eineinhalbstündigen Aufstieg, sondern auch mit einer ziemlich hindernisreichen Anreise verdienen. Ab Rotkreuz ist der Zug mehr als nur voll und bis Bellinzona heisst es für die meisten von uns,
mit Stehplatz Standvermögen zu zeigen. Dieses brauchen wir bis Flüelen erst recht, um uns gegen die Alkoholfahnen einer Gruppe von jüngeren Zeitgenossen zu wehren. In Bellinzona sehen wir von der
S 10 bei unserer verspäteten Ankunft nicht einmal mehr die Schlusslichter. Sie ist wohl schon bald im Ceneritunnel verschwunden. So starten wir die Fahrt mit der Seilbahn zur Alpe Foppa eine
Stunde später als ursprünglich geplant.
Eine Aussicht vom feinsten
Bevor wir den ersten Aufstieg beginnen, besuchen wir die Chiesa Santa Maria degli Angeli von Mario Botta, ein aussergewöhnlicher, sehenswerter Bau mit ebenso aussergewöhnlicher Aussicht auf die
Magadino Ebene und den Monte Ceneri. Nach der grossen Telekommunikationsanlage braucht es einige Überwindung, ohne Einkehr durch die Gartenwirtschaft der Capanna Tamaro zu marschieren. Wir tun
einfach so, als hätten wir nichts gesehen.
Der Gipfelaufstieg ist steil und erfordert ein erstes Mal einigen Einsatz. Doch dann können wir beim Picknick und einem feinen Johannisberg die Rundum-Aussicht geniessen. Die Wolken bleiben in
den Alpen hängen und ein paar Regenschauer in der Ferne können uns nichts anhaben. Unser Tagesziel ist am Ende des langen, gewellten Grates in Form einer kleinen weissen Kugel auf dem Monte Lema
zu erkennen. Da liegen noch etwa 9 km und einige Höhenmeter vor uns.
Ein abwechslungsreiches Auf und Ab
Vor einer Weggabelung müssen wir uns entscheiden: Sollen wir den Monte Gradiccioli noch „mitnehmen“ und damit die 1000 Höhenmeter Grenze knacken oder eher doch den Weg der Flanke entlang wählen.
11 Kollegen unserer 17-köpfigen Gruppe wählen den Weg oben durch. Dann ist wieder einmal Pause angesagt. Wir sitzen bei angenehmen Spätsommertemperaturen im trockenen Gras und lassen den Blick
über die Region Lugano mit ihren zahlreichen bewaldeten Hügeln und auf die Arme des Lago di Lugano schweifen. Die Sicht ist klar. Einfach wunderbar!
Auf dem weiteren Weg bewundern wir die Dörfer auf der gegenüberliegenden Seite im Valle Vedasca. Indemini ist der letzte Ort auf Schweizer Boden und nur über einen kurvenreichen Pass von Magadino
aus erreichbar. Indemini ist mit den anderen Dörfer auf der italienischen Seite durch eine Strasse verbunden und gleichsam wie die Perlen auf einem Rosenkranz aufgereiht, eine Insel in einem
riesigen Wald. Einst eine Kulturlandschaft als Werk entbehrungsreicher und jahrelanger Arbeit, heute nur noch eine Ansammlung von Gebäuden.
Wir gehen auf horizontalem Weg aus feinem Sand, dann wieder aufwärts über Stufen, leicht ausgesetzt und wieder über grobe Steine hinunter. Eine Ziegenherde auf dem Weg lässt sich durch uns nicht
beirren. An den Hörner anfassen lassen sich diese eigenwilligen und verspielten Tiere aber nicht gerne. Auf dem letzten Sattel, wie wir meinen, sind das Berggasthaus Monte Lema und die
weisse Kugel zum Greifen nahe, wohl nur noch ein paar Minuten. Doch wir werden gefordert: Zuerst hinunter in den wirklich letzten Sattel und dann nochmals gute 10 Minuten hinauf. So, jetzt können
wir uns auf der Terrasse zum Bier niederlassen.
Übernachten auf dem Berg
Von der Unterkunft sind wir positiv überrascht. Duschen in der Gemeinschaftsdusche ist kein Problem, das sind wir uns ja gewohnt. Der Koch belohnt uns mit einem feinen und ausgiebigen Nachtessen.
Spät wird es nicht. Die Zeiten mit Jassen bis nach Mitternacht sind Vergangenheit. Hingegen trifft nach Mitternacht ein, was sich abzeichnete: Es beginnt zu regnen und noch viel mehr zu
winden.
Von grau zu blau
Der Morgen beginnt grau und regnerisch. Doch bereits nach dem Frühstück wird es im Westen heller und lässt Zuversicht aufkommen. Die erste Seilbahn bringt uns nach Miglieglia ins Tal. Den Abstieg
zu Fuss ersparen wir uns. Wir sind im Malcantone. Woher der Name stammt ist nicht wirklich klar. Auf dem Abstieg an den Bach Magliasina fallen die letzten Tropfen. Bei der ehemaligen
Hammerschmiede (il Maglio) erwartet uns bereits Herr Passera zu einer aufschlussreichen Führung in diesem Museum und zu einem Abstecher in die Geschichte des Bergbaus in der Gegend.
Schon beim Aufstieg nach Aranno ist kaum mehr eine Wolke zu sehen. Der Blick zurück zum Monte Lema ist frei. Oberhalb von Cademario erhalten wir einen Eindruck der früheren Bewirtschaft mit
grossen Marronibäumen auf einer Wiese für die Beweidung und das Gewinnen von Heu für das Vieh. Nach der letzten Pause erreichen wir in dreiviertel Stunden das Grotto Scambada, wo wir uns
zweieinhalb Stunden niederlassen, um gemütlich zu speisen und Tessiner Weine zu geniessen. Die Heimreise führt uns zuerst mit dem Postauto über zahlreiche Serpentinen hinunter nach Lamone, wo es
mit der Bahn weiter geht.
Das Wochenende war geprägt durch Wetterglück, eine ausgezeichnete Fernsicht, Gutes Essen und Trinken und nicht zuletzt durch eine kameradschaftliche Stimmung.
Text: Lukas Henggeler
Fotos: Lukas Henggeler, Hans-Peter Dietrich, Fredi Haug